Meldung vom 16.07.2019

REGIONALER GEHT’S NICHT: Unternehmensbesuch im größten Obst- und Gemüsegarten vor den Toren Stralsunds

Wer von Stralsund in Richtung Südwesten fährt, kommt unweigerlich am größten Garten vor den Toren der Hansestadt vorbei – vor Negast am Stralsunder Obstgut Eggert auf Höhe Lüssow.

Bewirtschaftet werden von Johannes Eggert (76) und seinem Sohn Silvio (50) zusammen mit 40 ständigen Mitarbeitern (in der Erntezeit 100) insgesamt 460 Hektar Land. Auf dem allergrößten Teil (200 Hektar) wächst Obst in allen Varianten, die das lokale Klima zulässt. 160 Hektar hat Eggert von der Stadt gepachtet und baut alles an, was selber geerntet werden kann: Erdbeeren, Kirschen, Pflaumen, Äpfel. Johannisbeeren sowie Tomaten , Gurken, Kohl, Wruken, Kartoffeln und auch Blumen. Insgesamt sind es inzwischen 47 verschiedene Kulturen, die hier wachsen.

Biolandbau
Bei einem Besuch des weitläufigen Geländes ließ sich Oberbürgermeister Alexander Badrow jetzt erläutern, wie umweltbewusst und vorausschauend Eggert mit dem Stralsunder Grund und Boden umgeht.
Dazu gehört, dass ca. 80% des von der Stadt gepachteten Landes auf Biolandbau umgestellt sind. „Da sind wir auf dem richtigen Weg“, so Eggert senior. „Konventionelle Landwirtschaft wird in Zukunft andere Wege gehen müssen“, sagt Silvio Eggert mit Blick in die Zukunft. „Wir müssen uns neue Wege überlegen.“ So macht der bisher übliche synthetische Pflanzenschutz „mit Chemie“ nur noch einen Bruchteil dessen aus, was noch zugelassen ist. Weltweit tauscht sich Eggert mit Obstbauern aus, um Alternativen für einen natürlichen Pflanzenschutz der Pflanzen zu suchen und auch zu finden.
Zwar kostenintensive, aber dafür erfolgreiche Alternativen, führen zum Beispiel dazu, dass die täglich nach Lüssow strömenden Selbstpflücker glänzende Augen haben, wenn man sie fragt – wie jetzt gerade – die mit eigener Hand geernteten Früchte schmecken. Das reicht von „einfach köstlich“ bis „so tolle Erdbeeren habe ich noch nie gegessen“. Bei Gurken und Tomaten sowie Kartoffeln fallen die Reaktionen genau so aus: der natürliche Geschmack ist es, der die Eggertschen Früchte von der konvetionellen Massenproduktion komplett unterscheidet.

Direktvermarktung
2003 kam Johannes Eggert die Idee, den seit 1990 völlig gewandelten Gartenbaubetrieb (früher „Volkseigenes Obstgut Lüssow“) für Selbstpflücker zu öffnen. Damit hatte er ab sofort Erfolg. Auch deswegen, weil diese Obstbauanlage die einzige verbliebene von 42 Gütern in ganz Vorpommern war, die hier bis 1990 existierten. Der Ruf der „Rodeprämie“ führte damals in kürzester Zeit zu einem kompletten Kahlschlag im heimischen Obstanbau.
„Unser großer Vorteil ist die Direktvermarktung im regionalen Absatz, wir haben keine Zwischenhändler und sind deswegen frei in der Preisgestaltung“, fasst der seit 56 Jahren im Gartenbau arbeitende Eggert das Konzept zusammen, von dem Badrow sagt „das ist eine tolle Erfolgsgeschichte“.

"So geht Partnerschaft"
Für Oberbürgermeister Badrow steht fest „Regionaler geht’s nicht“. Im Gespräch betont er die gute Zusammenarbeit zwischen Stadt und Obstgut, verweist dabei auf das in Stralsund neu eingeführte Erntedankfest. Hier genügte ein Anruf und das Obstgut war sofort dabei. „So geht Partnerschaft“, freut sich Badrow und interessiert sich genauer dafür, was es heißt ökologisch zu arbeiten.
Ohne lange nachdenken zu müssen, fährt Johannes Eggert das Programm auf: Insektenhotels für Wildbienen gehören dazu sowie Steinhaufen für Mauswiesel, welche wiederum die Wühlmäuse fernhalten, Nistkästen im gesamten Gelände für Vögel aller Art, zudem werden Hecken erhalten, die Lebensraum für Insekten aller Art sind.
Und extra angelegte weitläufige Blühstreifen für die Bienen. Etwas 300 Bienenvölker leben auf dem Obstgut. „Honig ist heute der Renner“, schickt Johannes Eggert voraus, bevor er darauf eingeht, was es mit dem angeblichen Bienensterben auf sich hat. Schuld habe nicht das Klima sondern der Fakt, dass es immer weniger erfahrene Imker gäbe. „Bienen zu züchten, das braucht Erfahrung.“ Seiner Beobachtung nach gibt es davon immer weniger, die wissen, in welchem Moment genau das Richtige zu machen ist. In vielen Jahren reicht der Wind zum Bestäuben der Blüten, erst dann, wenn es lange feucht ist, „dann müssen die Bienen ran“.

Ganze Familien pflücken
Das Obstgut hat einen gut gewachsenen Stamm an Selbstpflückern, bis vor vier Jahren waren es noch überwiegend Ältere, für die es zum Beispiel einfacher ist, nicht mühsam selber Erdbeeren anzubauen, sondern sie vor den Toren der Hansestadt selber pflücken zu können.
Eggerts beobachten inzwischen den Trend, dass die Pflücker immer jünger werden, ja sogar ganze Familien kommen, sich auf den Feldern und in den Plantagen nicht nur sattsehen und –essen, sondern auch viel Freude dabei haben.
So ist ein Ausflug ins Obstgut praktisch auch gleich erweiterter „Schulgartenuntericht“ für die Jüngeren, die bisher so manches Mal nicht wussten, woher das Obst überhaupt kommt, wenn es im Supermarkt liegt.

Besuch beim Obstgut Eggert (3 Bilder)